Iowa

LiteraTour – eine literarische Reise nach Iowa

Die literarische Reise führt mich diesmal nach Iowa in den Mittleren Westen der USA. Durch seine Lage zählt Iowa zu den Staaten, die öfter überflogen als angeflogen werden (fly-over-state). Neben zwei klassischen Romanen und einem Krimi stelle ich auch den Roman „Iowa“ von Stefanie Sargnagel vor, die in Bremen den Förderpreis zum Bremer Literaturpreis 2025 erhält.

Iowa 1wurde als 29. Bundesstaat in die United States of America am 28. Dezember 1846 aufgenommen.
Iowa hat den Beinamen „Hawkeye State“.
Die Hauptstadt von Iowa ist Des Moines.
Iowa ist bekannt für den Anbau von Mais und seine weite Natur. Zu 90 Prozent wird die Fläche von Iowa landwirtschaftlich genutzt.

Von TUBS – CC BY-SA 3.0

Besonderheiten

Der Anteil Deutschstämmiger an der Bevölkerung ist mit ca. 36 Prozent (2016) hoch, was bei vielen Festen, die in Iowa gefeiert werden, deutlich zu erkennen ist.
Außerdem starten in Iowa die US-Vorwahlen der Republikaner. Hier findet der Caucus statt. Beim Caucus treffen sich in der Regel Parteimitglieder zu kleinen Versammlungen in Schulen, Turnhallen, Kirchen und sogar Privathäusern im ganzen Staat. Dort diskutieren sie, wer der beste Kandidat ihrer Partei wäre, um der nächste Präsident der Vereinigten Staaten zu werden.2

Iowa City – Stadt der Literatur

Iowa City wurde 2008 zur UNESCO „City of Literature“ ernannt unter anderem wegen des Iowa Writers’ Workshop. Im Literaturmagazin Bremen gibt es dazu ein Interview von 2023.3 Bereits 1999 wurde in Iowa City der „Literary Walk“ im Stadtzentrum erstellt. Er besteht aus Tafeln, die in den Betonbürgersteig gestempelt sind. Die Tafeln sind durch eine Reihe von allgemeinen Zitaten über Bücher und Schriften verbunden. So gibt es auch eine Tafel von Jane Smiley (s.u.), die an der Universität in Iowa City studiert und gelehrt hat, sowie von Marilyn Robinson (s.u.), die in Iowa City „Writers Workshops“ durchgeführt hat.

Überdachte Brücken

Der Roman „Die Brücken am Fluss“ von Robert James Waller, verfilmt mit Meryl Streep und Clint Eastwood, hat die überdachten Brücken von Madison County in Iowa zur touristischen Attraktion gemacht. Ursprünglich war die Überdachung der Holzbrücken als Schutz gegen Witterungseinflüsse gedacht. Insgesamt gibt es noch sechs dieser Brücken4.
Ich habe das Buch, gelesen von Hardy Krüger, noch einmal gehört. Auch als Hörbuch wunderschön!

Kurzübersicht: Bücher, die in Iowa spielen

Marilynne Robinson
Gilead
Originaltitel: Gilead
Fischer Verlag, 2018
318 S.
Tetralogie rund um Gilead
Gilead ist ein fiktiver Ort in Iowa und Schauplatz der vier Romane: Gilead, Zuhause, Lila und Jack. Im Mittelpunkt steht die Freundschaft zweier Männer John Ames und Robert Boughton und die Sorge um Jack, das schwarz Schaf der Familie Boughton und Patenkind von John Ames. Die Geschichte der Familien wird in den vier Büchern aus einer jeweils anderen Perspektive beschrieben. Mehr zum Inhalt
Jane Smiley
Tausend Morgen
Originaltitel: A Thousand Acres
Aufbau Taschenbuch, 2020
464 S.
Klassiker – Familienroman
Der Roman von Jane Smiley spielt in den 1960er bis 80er Jahren in Iowa. Laurence Cook entpuppt sich über die Jahre als Tyrann. Seine beiden Töchter Ginny und Rose nehmen lange die Gängelungen hin. Eines Tages überschreibt er seine Farm den Töchtern. Sein Versuch, dies rückgängig zu machen, misslingt.
Mehr zum Inhalt
Stefanie Sargnagel
Iowa: Ein Ausflug nach Amerika
Rowohlt Hundert Augen, 2024
301 S.
Autofiktionale Reiseeindrücke
Stefanie Sargnagel, eine Schriftstellerin aus Österreich, bekommt den Auftrag an einen College in Grinnell mitten im Nirgendwo Iowas einen Workshop Creative Writing zu geben. Gemeinsam mit der Musiklegende Christiane Rösinger macht sie sich auf den Weg und entdeckt viel bereits Vermutetes und doch so manches Anderes. Mehr zum Inhalt
Erin Young
The fields – was vergraben bleibt 
Originaltitel: The fields
Deutsch: Elisabeth Mahler
Piper Verlag, 2023
476 S.

Agrar-UmweltThriller
Hinter Erin Young verbirgt sich die britische Autorin Robyn Young, die für den Roman vor Ort in Iowa recherchiert hat. Sergeant Riley Fisher ist trotz belastender Erinnerungen in ihr Elternhaus nach Iowa zurückgekehrt. Als sie zu einer bestialisch zugerichteten Leiche inmitten eines Maisfeldes gerufen wird, erkennt sie in dem Mordopfer ihre Schulfreundin Chloé. Bei ihren Ermittlungen stößt sie auf mysteriöse Machenschaften von Agrarkonzernen und Politikern. Zusätzlich muss sie sich mit ihrer eigenen unbewältigten Vergangenheit auseinandersetzen. Trotz für meinen Geschmack zu detailliert beschriebenen Gewaltszenen und kleiner Ungereimtheiten, ist die Geschichte spannend erzählt und zeigt darüberhinaus interessante Aspekte der Landwirtschaft und speziell des Einsatzes von Hybridsaatgut auf.
Iowa: ausgewählte Bücher
Gilead Tetralogie – Zuhause

Marilynne Robinson
Zuhause
Originaltitel: Gilead
Übersetzt von: Uda Strätling
Fischer Verlag 2018
432 S.
Fischer

Die Tetralogie – ursprünglich wohl als Trilogie angelegt – handelt von John Ames und Robert Boughton, beide sind Geistliche in Gilead in den 1950er Jahren. Im Mittelpunkt steht Jack, das „enfant terrible“ der Familie Boughton. Im ersten Band „Gilead“ erzählt John Ames – kurz vor seinem Tod – seinem Enkel seine Lebensgeschichte, die auch eng mit der Geschichte der Familie Boughton verbunden ist. Jack, das Sorgenkind der Boughtons, ist das Patenkind von John Ames.
In Zuhause(2018) kehrt Jack nach 20 Jahren in das Elternhaus der Boughtons zurück. Lila (2014) erzählt die Geschichte von Ames Romanze und Ehe mit seiner zweiten Frau Lila aus deren Perspektive. Jack (2020) stellt Jack Baughton, das schwarze Schaf der Familie, in den Mittelpunkt und ergründet seine Beziehung zu Della, einer schwarzen Frau. Die Beziehung muss er vor seiner Familie geheim halten, so auch den gemeinsamen Sohn.

Aus der Tetralogie habe ich mich dafür entschieden „Zuhause“ zu lesen. Jack kehrt nach 20 Jahren Abwesenheit in das Elternhaus in Gilead zurück, in dem nur noch sein Vater lebt, der ihn sehnsüchtig erwartet. In dem Haus lebt auch seine Schwester Glory. In Erwartung seiner Ankunft überlegt sie:

Wie würde sie ihn sehen, wie käme er ihr vor, wenn er nicht jahrelang die Schwere ums Herz der Familie gewesen wäre, die Leere, von der man nicht sprach, gleich dem Helden einer tragischen Geschichte?

Glory ist froh, ihren Bruder um sich zu haben. Die Anwesenheit von Jack bringt nach und nach alte Erinnerungen zum Vorschein. Es zeigt sich, die Vergangenheit lässt sich nicht ungeschehen machen und Jack kann nicht aus seiner Haut. Er scheint die calvinistische Lehre der Prädestination so tief verinnerlicht zu haben, dass er Vergebung nicht annehmen kann.
Marilynne Robinson wurde für ihre Romane mehrfach ausgezeichnet. Für Gilead erhielt sie sogar den Pulitzer Prize und den National Book Critics Circle Award. Mir hat der Roman sehr gut gefallen, auch wenn die Dominanz der christlichen Prägung gewöhnungsbedürftig war.

Tausend Morgen

Jane Smiley
Tausend Morgen
Originaltitel: A Thousand Acres
Übersetzung: Hannah Harders
464 S.
Aufbau Taschenbuch, 2020
aufbau-verlag.de

Der Roman beginnt in den 1950er Jahren in Zebulon County. Laurence Cook besitzt sechshundertundvierzig Morgen, „ganz bezahlt, keine Belastungen, so flach und fruchtbar, schwarz und so offen daliegend, wie ein Stück Land auf dem Antlitz dieser Erde es nur sein kann.“ Neben dieser Farm gibt es noch zwei Nachbarn, die Clarks „mit fünfhundert Morgen und keiner Hypothek“ und die Ericson „mit dreihundertundzwanzig Morgen und einer Hypothek“. Ginny Cook, die Ich-Erzählerin der Geschichte, stellt fest: „unser Leben schien unerschütterlich und gut“.
Als die Mutter stirbt bleibt Laurence Cook mit seinen Töchtern Ginny, Rose und Caroline allein zurück. Eines Tages beschließt Laurence die Farm auf seine drei Töchter aufzuteilen. Da Caroline, die Jüngste, die bereits als Anwältin arbeitet und von dem Angebot nichts wissen möchte, geht das Land an Ginny und Rose. Ginnys Ehemann Ty bemüht sich die Farm zu verbessern, stößt aber immer wieder auf Widerstand. Ginny und Rose bemühen sich um den Vater, dessen Trunksucht und Verschwendung zu einer Belastung werden.
Nach und nach kommt die Vergangenheit zum Vorschein. So erinnert sich Ginny an ihre Mutter.

Wahr ist, dass sie in ihre Umgebung passte. Sie gehörte Clubs an, ging in die Kirche, tauschte Schnittmuster mit anderen Frauen aus. Sie hielt das Haus sauber und erzog uns genauso, wie die Nachbarn ihre Kinder erzogen, was bedeutete, dass sie die Autorität meines Vaters stützte und nicht besonders zärtlich war.

Und auch das belastete Verhältnis zum Vater taucht in ihren Erinnerungen wieder auf. In ihrem alten Zimmer auf dem Bett liegend fällt Ginny eine Szene ein, die sie verdrängt zu haben schien.

Als ich da lag, wußte ich, dass er hier bei mir gewesen war, dass mein Vater mit mir auf diesem Bett gelegen hatte, dass ich oben auf seinen Kopf gesehen hatte, auf die kahle Stelle in dem graubraunen Haar, während ich fühlte, wie er an meinen Brüsten saugte. Das war die einzige Erinnerung, die ich ertragen konnte, bevor ich mit einem Schrei aus dem Bett sprang.

Vergangenheit und Gegenwart – die Farm steckt in immer größeren Schwierigkeiten, zudem erkrankt Rose an Krebs – zerstören das Familienleben. Nach dem erfolglosen Versuch von Laurence Cook mit Hilfe seiner Tochter Caroline die Farm zurückzubekommen, wird Caroline zu seiner Bezugsperson. Als auch Laurence Cook stirbt, müssen Caroline und Ginny schließlich die Farm verkaufen.

In dem Roman zeigt sich, wie die Werte der Familien von Zebulon County, deren Grundlage einst Vertrauen und Liebe zu sein schienen, durch ein Reihe von Ereignissen ins Wanken geraten. Es wird deutlich wie klein der Kosmos des Landlebens ist und daher Störungen gleich weitreichende Wirkung entfalten. Ich fand den Roman beeindruckend.

Iowa

Iowa von Stefanie Sargnagel

Stefanie Sargnagel
Iowa: Ein Ausflug nach Amerika
Mit korrigierenden Fußnoten von Christiane Rösinger.
Rowohlt Hundert Augen, 2024
301 S.
rowohlt.de

Gemeinsam – von München nach Iowa

Christiane ist 62 Jahre alt, Sängerin, Autorin, Entertainerin aus Berlin. Sie und Stefanie, 37, Autorin, Entertainerin aus Österreich kennen sich schon lange. Gemeinsam stehen sie mit einem Song- und Comedy-Programm (Legende of Entertainment) auf der Bühne.

Eine Reise nach Iowa steht den beiden bevor. Stefanie Sargnagel soll an einem privaten linksliberalen Elitecollage in Grinnell einen Creative-Writing Workshop geben, Christiane Rösinger mit einem Auftritt für Abwechslung im ländlichen Nirwana sorgen. Stefanie Sargnagel zeichnet auf, was die beiden ungleichen Freundinnen erleben. Christiane Rösinger kommentiert („korrigierende Fußnoten“).
Los geht es in München mit Umstieg in Chicago und dann mit dem Regionalflieger nach Des Moines, wo sich ein erstes Feeling einstellt, in Iowa angekommen zu sein.

Der Flughafen in Des Moines ist winzig und riecht nach Flohmarkt. … Die Menschen bewegen sich langsam, weil sie Wurzeln haben, tief ins Leben hinein, sie tragen Baseballkappen und weite Pullover. … Über die Realität legt sich ab jetzt ein beige-bräunlicher Schleier.

In Grinnell, einer kleinen Stadt mit knapp 10.000 EinwohnerInnen, richten sich die beiden in ihrem Häuschen ein, entwickeln Routinen des Miteinanders. Gemeinsam erkunden sie den Ort, in dem – „was los“ – schon gewesen ist und Straßen frei von Menschen sind. Sie stoßen auf Glaubensgemeinschaften, u.a. auf die Amina, eine christliche Gemeinschaft aus Deutschland. Diese zeichnet sich durch Gemeineigentum, kollektive Arbeit und die Versorgung ihrer Mitglieder aus dem gemeinsam Erwirtschafteten aus.
Beim Besuch einer Buchhandlung staunen sie über die Beliebtheit christlicher Romane.

Drei Regale sind ausschließlich mit Liebesromanen gefüllt, deren Umschläge stark bearbeitete Fotos von schönen, jungen Frauen mit züchtigen weißen Hauben zeigen, Felder, Pferdekutschen oder mit der Sense mähende Bauern im Hintergrund.

In einem Outdoor-Laden werden sie mit der geballten Männlichkeit des Wilden Westens konfrontiert.

Das hier ist das Epizentrum militärischer Männlichkeitsideale, hier werden die kleinen Jungs mit Stahl gebürstet, aufgehetzt und scharf gemacht. Auch eine Kosmetikabteilung gibt es: Seifenserien mit dem Namen „BIG AS BRICK OF SOAP“. Bloß nicht Verschwulen beim hygienischen Mindestaufwand. Die Körperpflege muss einen Hauch Gefahr vermitteln, Brutalität, das Einschäumen soll sich anfühlen wie eine Bärenfalle am Bein, zumindest im Kopf, das Marketing muss so tun, als hätten sie Rasierklingen und rostige Schrauben in die Lauge gestreut, damit die Männlichkeit nicht bedroht wird.

Es ist auch das Buch einer Frauenfreundschaft, voll Witz, Selbstironie und etwas Bissigkeit. Die Ergänzungen von Christiane Rösinger öffnen den Blick zudem aus einer anderen Richtung. Eine gelungene Mischung aus kritischer Analyse und Selbstreflexion.

Beim Reisen in fremde Länder (und das können schon die anderen Bundesländer in Deutschland sein) gefällt mir besonders, die Auseinandersetzung von dem was ich so wahrnehme – Menschen, Zeitungsnotizen, Landschaften etc. – mit eigenen angesammelten Einstellungen und Gewissheiten, die dann kritisch gewälzt und häufig bereichert werden. In diesem Sinne hat mir das Buch von Stefanie Sargnagel mit den Anmerkungen von Christiane Rösinger gefallen, auch wenn ich den Humor der beiden nicht so ganz teile. Schmunzeln musste ich des öfteren schon.

  1. Quelle: Wikipedia ↩︎
  2. https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/vorwahl-iowa-faq-100.html ↩︎
  3. Siehe auch: https://www.literaturmagazin-bremen.de/beitraege/iowa-city-city-of-literature ↩︎
  4. https://www.exploremadisoncounty.com/covered_bridges/ ↩︎

https://erinyoungauthor.com/about-erin/